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Published on: Apr. 2025
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Raus aus der US-Cloud – rein in die Souveränität?

1. Einstieg – ein kurzer Weckruf

„Warum hosten wir eigentlich noch in den USA?“ Diese Frage wird oft belächelt – bis sie plötzlich ernst wird. Ein neuer Kunde verlangt DSGVO-Konformität. Ein Investor fragt nach dem Risiko durch den CLOUD Act. Oder der eigene Betriebsrat meldet Bedenken. Plötzlich steht die Frage im Raum: Haben wir die Kontrolle über unsere Daten – oder nur die Illusion davon?

US-Clouds sind allgegenwärtig – doch ihre rechtliche Grundlage in Europa wackelt. Der Privacy Shield ist Geschichte, Schrems II ein Signal, und der CLOUD Act ein stiller Risikofaktor. Zeit, die Komfortzone zu verlassen.

2. Der Status quo – bequem, aber riskant

US-Cloudanbieter wie Amazon Web Services, Microsoft Azure oder Google Cloud Platform sind in vielen Unternehmen längst Standard. Sie bieten eine starke technische Basis, ein breites Angebot an Diensten und ermöglichen schnelle, skalierbare Lösungen.

Doch was sich auf den ersten Blick wie ein Vorteil anfühlt, kann langfristig zum strategischen Risiko werden:

  • Proprietäre Dienste binden mehr, als vielen bewusst ist Plattformdienste wie AWS Lambda oder DynamoDB sind technisch leistungsfähig, aber tief in die jeweilige Plattform integriert. Ein späterer Wechsel erfordert nicht nur technischen Aufwand – sondern oft auch konzeptionelle Änderungen.

  • Jede zusätzliche Integration erhöht die Wechselkosten Was als pragmatische Entscheidung beginnt – etwa für Authentifizierung, Monitoring oder Messaging – kann mittelfristig zur Einbahnstraße werden.

  • Flexibilität geht schleichend verloren Je tiefer die technische Integration, desto schwerer wird es, bei veränderten regulatorischen Anforderungen oder strategischen Neuausrichtungen die Plattform zu wechseln – selbst wenn der Wille da ist.

Kurz: US-Clouds liefern vieles „as a Service“ – aber auch die Abhängigkeit gehört dazu.

3. Das Problem mit den USA – und warum es uns alle betrifft

Die Abhängigkeit von US-Cloudanbietern ist nicht nur eine technische oder wirtschaftliche Frage – sie hat eine klare juristische und politische Dimension.

Seit Jahren steht die rechtliche Grundlage für die Übertragung personenbezogener Daten aus der EU in die USA unter Druck:

  • Privacy Shield – 2020 vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) in der Entscheidung „Schrems II“ für ungültig erklärt
  • EU–US Data Privacy Framework – seit Juli 2023 in Kraft, aber juristisch bereits unter Beschuss
  • Die nächste Klage („Schrems III“) ist angekündigt – ein erneutes Kippen ist realistisch

US-Behörden haben laut dem CLOUD Act Zugriff auf Daten, auch wenn diese in europäischen Rechenzentren liegen – solange sie von einem US-Unternehmen verwaltet werden.

Hinzu kommt eine wachsende politische Unsicherheit in den USA:

  • Datenschutz steht unter Druck
  • Polarisierung und Instabilität nehmen zu
  • Tech-Konzerne werden geopolitisch instrumentalisiert
  • Das Vertrauen in demokratische Institutionen schwindet

Für europäische Unternehmen entsteht eine doppelte Unsicherheit: Rechtlich, wegen instabiler Abkommen. Strategisch, weil politische Entscheidungen in den USA direkte Auswirkungen auf Europa haben können.

Fazit: Die Abhängigkeit von US-Clouds ist nicht nur eine technische Entscheidung, sondern zunehmend auch ein politisches Risiko.

4. Europäische Alternativen – ein wachsendes Ökosystem

Die Nachfrage nach europäischen Cloudlösungen wächst. Inzwischen gibt es ernstzunehmende Anbieter:

  • Hetzner – performant, kosteneffizient
  • IONOS Cloud – DSGVO-konform, deutsch gehostet
  • Scaleway – modern, entwicklerfreundlich
  • STACKIT – Enterprise-orientiert aus dem Konzernumfeld
  • Cleura – regulatorisch ausgerichtet

Herausforderungen:

  • Eingeschränkter Funktionsumfang
  • Geringere Automatisierung
  • Weniger globale Reichweite – was aber nicht alle brauchen

Nicht jedes Geschäftsmodell braucht weltweite Skalierung. Wer in Europa operiert, gewinnt durch Nähe, Klarheit und Kontrolle.

Für international tätige Unternehmen lohnt sich eine Aufteilung: Hybride Architekturen mit europäischen Clouds für sensible Daten und globalen Komponenten dort, wo nötig.

Worauf es ankommt

Die europäische Cloud wächst. Wer auf Interoperabilität und offene Standards setzt, kann heute schon souverän und zukunftssicher bauen.

5. Migration: technisch machbar, strategisch herausfordernd

Ein Wechsel ist machbar – aber oft kein „Lift & Shift“.

Plattformen wie Firebase oder DynamoDB sind tief verankert. Ein Umstieg erfordert Planung, Umdenken – und Alternativen.

Offenere Optionen wie Supabase, Appwrite, MongoDB, Couchbase oder ScyllaDB schaffen Spielraum. Sie lassen sich selbst hosten oder als Managed Service betreiben.

Und der Vorteil: Fällt ein Anbieter weg oder passt nicht mehr, kann die Infrastruktur nachgebildet und übernommen werden.

Offene Lösungen bieten zusätzlich Raum für Mitgestaltung: Feedback, Community-Engagement, Eigenentwicklung.

Migrationshürden im Überblick:

  • Datenexport & Mapping
  • Abhängigkeiten von Logging/IAM
  • Schulung & Automatisierung

Zusammengefasst

Migration ist eine strategische Entscheidung. Wer langfristig unabhängig sein will, sollte auf offene Technologien setzen – Schritt für Schritt.

6. Warum sich der Umstieg trotzdem lohnt

Der Aufwand lohnt sich – aus vier Gründen:

  1. Souveränität und Kontrolle
  2. Vertrauen und Transparenz
  3. Regulatorische Vorbereitung
  4. Technische Resilienz

Kurz gesagt: Die Entscheidung für europäische Cloudlösungen ist kein Rückschritt – sondern eine strategische Investition in Unabhängigkeit, Resilienz und Zukunftsfähigkeit.

7. Fazit – Die Cloud ist kein Glaubenskrieg

US-Cloudanbieter liefern starke Technik. Daran gibt es nichts zu rütteln. Aber wer dort hostet, sollte es bewusst tun – nicht aus Bequemlichkeit.

Denn: Wenn Datenschutzabkommen kippen und politische Lagen sich ändern, braucht es mehr als nur funktionierende Deployments.

Man muss nicht morgen alles migrieren. Aber man sollte heute wissen, wo man steht – und wie man reagieren kann, wenn es notwendig wird.

Und falls Sie gerade an dieser Stelle sind: Ich begleite Sie gern – technisch, strategisch oder einfach mal bei einer ehrlichen Einschätzung Ihrer aktuellen Architektur.