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Wasserfall in Jira: Warum viele agile Projekte scheitern
„Wir machen sowas wie Scrum.“
Ein harmloser Satz – der in Wirklichkeit alles sagt. Es gibt Sprints, vielleicht auch Dailys, und natürlich Jira. Aber die Roadmap ist bis Dezember durchgeplant, alle Features längst versprochen, und das Team hangelt sich von Sprint zu Sprint – mit wachsendem Druck.
Was als agiles Projekt verkauft wird, ist oft klassischer Wasserfall im agilen Gewand. Velocity ersetzt das Gantt-Diagramm. Jira wird zur Kontrollinstanz. Entwickler:innen sind keine Mitgestaltenden, sondern Ticket-Abarbeitende.
Und schlimmer noch: Unter dem Deckmantel der Agilität werden Entscheidungen oft noch chaotischer – weil Anforderungen spontan und ohne Kontext geändert werden. Das wird dann als „agil“ verkauft – ist aber in Wahrheit planlos. Und destruktiv.
Das Ergebnis:
- Frust im Team
- Technische Schulden
- Micromanagement
- Keine echte Anpassungsfähigkeit
- Vertrauensverlust in den gesamten Prozess
Und trotzdem heißt es weiter: „Wir arbeiten agil.“
In diesem Artikel zeige ich, warum viele agile Projekte trotz Scrum scheitern – und was Projektleitende und IT-Entscheider:innen tun können, um echten Mehrwert zu schaffen.
Hinweis: Scrum ist nur eine von vielen agilen Methoden.
Warum viele agile Projekte scheitern
Viele Projekte nennen sich „agil“ – doch sie verhalten sich wie früher. Methoden wie Scrum oder Kanban werden eingeführt, aber nicht verstanden. Was bleibt, ist ein Prozess, der agil aussieht, aber wie Wasserfall funktioniert – nur hektischer.
Typische Muster:
- Planung bleibt starr: Roadmaps werden Monate im Voraus befüllt, Sprints dienen nur noch zur Umsetzung.
- Commitments werden zu Deadlines: Statt Forecasts gibt es Erwartungen. Statt Spielraum: Druck.
- Jira wird zum Selbstzweck: Tickets ersetzen Gespräche. Workflows werden überoptimiert, statt flexibel zu reagieren.
- Teams verlieren Verantwortung: Entscheidungen wandern nach oben. Das Team liefert, aber gestaltet nicht mit.
Die Methode bleibt formal korrekt – aber der Sinn dahinter geht verloren. Sprint für Sprint.
Scrum nur auf dem Papier? So erkennt man Schein-Agilität
Viele Teams arbeiten in Sprints – liefern aber wie im Wasserfall. Die Meetings laufen, das Board ist gepflegt, der Prozess scheint sauber. Und doch zeigt der Alltag ein anderes Bild.
Typische Warnzeichen:
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Sprint-Planings dauern ewig. Weil alles schon vorher entschieden wurde – und niemand sagen will, dass es zu viel ist.
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Mitten im Sprint ändern sich die Anforderungen. Nicht weil es sinnvoll ist – sondern weil jemand „noch was braucht“.
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Retrospektiven bleiben wirkungslos. Es wird gesammelt, aber nichts verändert. Feedback ohne Folgen.
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Technische Themen kommen nicht vor. Architektur, Tests, Infrastruktur – kein Platz im Sprint. Kein Platz im Gespräch.
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Das Team fragt nicht „Warum?“, sondern nur „Wie viel?“ Beteiligung sinkt. Verantwortung auch. Motivation folgt.
Das Projekt wirkt agil – aber funktioniert nicht mehr so. Sprint für Sprint.
Warum das schiefgeht
Viele Projekte nutzen Scrum oder andere agile Methoden – aber ohne die Prinzipien dahinter. Das Framework ist da, die Meetings auch. Aber die Wirkung bleibt aus. Warum? Weil an den entscheidenden Stellen falsch gesteuert wird.
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Technische Arbeit wird verdrängt. Refactoring, Tests, Architektur – all das bleibt liegen. Stattdessen geht es um Features, die schnell geliefert werden sollen. Die technische Basis leidet, die Entwicklung wird langsamer. Das Team merkt es. Und zieht sich zurück.
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Vertrauen wird durch Kontrolle ersetzt. Jira wird zum Kontrollzentrum, Standups zum Reporting. Wer ständig liefern muss, hört auf, Verantwortung zu übernehmen. Eigeninitiative wird zur Ausnahme.
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Entscheidungen kommen von außen. Das Team bekommt fertige Tickets – ohne Kontext, ohne Diskussion. Wer nicht gefragt wird, denkt nicht mit. Was bleibt, ist Umsetzung ohne Identifikation.
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Lernen passiert nicht. Retros finden statt – aber ohne Konsequenz. Probleme wiederholen sich. Gute Ideen versanden. Der Prozess bleibt, wie er ist – Sprint für Sprint.
Was gute agile Projekte anders machen
Gute agile Projekte erkennt man nicht an ihren Boards oder Artefakten – sondern an der Haltung im Team. Die Methode ist Mittel zum Zweck. Entscheidend ist, wie sie gelebt wird.
Was sie anders machen:
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Mit klarem Fokus planen. Ziele sind verständlich, der Umfang realistisch. Es gibt Puffer für Unerwartetes. Das Team plant mit – und das Management hält sich daran.
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Verantwortung ins Team geben. Entscheidungen zu Umfang, Architektur oder Umsetzung liegen dort, wo die Kompetenz sitzt. Vertrauen ist keine Floskel – sondern Voraussetzung.
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Technische Arbeit ermöglichen. Refactoring, Tests, Infrastruktur – alles hat einen Platz im Sprint. Nicht irgendwann, sondern regelmäßig.
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Retrospektiven nutzen, um zu steuern. Probleme werden adressiert, Entscheidungen angepasst. Was im Rückblick auffällt, fließt in die Planung ein. Schritt für Schritt. Sprint für Sprint.
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Wirkung statt Masse priorisieren. Features sind kein Selbstzweck. Entscheidend ist, was beim Nutzer ankommt. Gute Teams liefern Ergebnisse – nicht nur Output.
Solche Projekte funktionieren anders. Nicht lauter, nicht schneller – sondern klarer. Und genau das macht den Unterschied.
Tipps für Projektleitende
Agile Teams brauchen keine perfekte Methodik – sie brauchen den richtigen Rahmen. Wer Projekte führt, hat Einfluss darauf, wie gearbeitet wird. Und ob ein Team liefern muss oder liefern kann.
Hier ein paar konkrete Ansätze:
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Weniger planen, mehr priorisieren. Roadmaps sind gut – wenn sie nicht mit Verträgen verwechselt werden. Plane grob, denke in Zielen. Und erlaube, dass Dinge sich ändern dürfen.
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Teamkapazität schützen. Meetings, Abstimmungen, spontane Anfragen – all das frisst Fokus. Wer produktive Arbeit will, muss dem Team auch Zeit dafür lassen. Weniger Störung ist mehr Ergebnis.
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Technische Themen einfordern. Architektur, Tests und Infrastruktur gehören in die Sprintplanung – nicht in die Freizeit. Wenn du sie nicht aktiv ansprichst, gehen sie unter.
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Retros ernst nehmen. Höre zu. Und handle. Wenn das Team offen spricht, ist das kein Risiko – es ist ein Geschenk.
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Jira entmystifizieren. Nutze das Tool, aber lass es nicht das Denken übernehmen. Kein Workflow ersetzt ein Gespräch. Kein Ticket ersetzt Verantwortung.
Ein gutes Projekt entsteht nicht durch Kontrolle – sondern durch Klarheit, Richtung und Vertrauen. Alles andere ist: Wasserfall mit Sprint-Taktung.
Fazit
Viele Projekte geben sich agil – und funktionieren trotzdem wie im Wasserfall. Der Unterschied liegt nicht im Tool, nicht im Prozess, sondern im Mindset.
Agilität ist keine Methode, sondern eine Haltung: Fokus statt Aktionismus. Verantwortung statt Kontrolle. Lernen statt Wiederholen.
Wer das versteht, schafft die Grundlage für echte Veränderung. Nicht perfekt, aber ehrlich. Nicht laut, aber wirksam. Sprint für Sprint.