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Wann ergibt Wasserfall noch Sinn? Die ehrliche Entscheidungshilfe
"Wasserfall ist tot" - das hörst du in jedem Agile-Workshop. Aber dann sitzt du vor deinem nächsten Projekt und fragst dich: Macht iterative Entwicklung hier wirklich Sinn? Oder führt das nur zu endlosen Diskussionen und Scope-Creep?
Die Wahrheit: Wasserfall Projektmanagement ist nicht tot. Es wird nur falsch angewendet - sowohl von Befürwortern als auch von Kritikern.
Das Wasserfall-Dilemma in der Praxis
Du kennst das Szenario: Das Management will "Planungssicherheit", das Team will "flexibel bleiben". Du stehst dazwischen und sollst beide Welten unter einen Hut bringen. Oft wird dann ein Kompromiss gewählt: "Wir machen Scrum, aber mit festen Deadlines und unveränderlichen Requirements." Das Ergebnis: Du hast die Nachteile beider Welten.
Wann Wasserfall besser ist als Agile
1. Regulatorische Umgebungen mit hohen Änderungskosten
Konkret: Banking-Software, Medizintechnik, Automotive, Behörden-Software
Warum: Jede Code-Änderung löst wochenlange Prüfungen aus. 10 Iterationen = 10 Audit-Zyklen = explodierte Projektkosten.
Entscheidungskriterium: Wenn externe Validierungskosten höher sind als die Kosten falscher Annahmen, ist Wasserfall rational.
2. Klar definierte Migration mit stabilen Zielen
Konkret: Legacy-System auf neue Plattform migrieren, Datenbank-Konsolidierung
Warum: Input und Output sind exakt bekannt. Es gibt keine "Entdeckungsreise" - nur technische Umsetzung einer klaren Spezifikation.
Entscheidungskriterium: Wenn Requirements nicht durch Lernen entstehen, sondern bereits vollständig definiert sind.
3. Externe Abhängigkeiten dominieren den Zeitplan
Konkret: Integration mit Behörden-APIs, Abhängigkeit von Hardware-Lieferanten
Warum: 80% der Projektzeit wartest du auf externe Freigaben. Sprint-Flexibilität bringt nichts, wenn der kritische Pfad extern liegt.
Entscheidungskriterium: Wenn externe Abhängigkeiten den Takt vorgeben, ist interne Agilität verschwendete Energie.
Wann Wasserfall garantiert scheitert
Du hast keine echten Requirements
Problem: "Wir wollen eine App wie Uber, aber für Hundefriseure."
Warum es scheitert: Ohne echtes Nutzerverständnis baust du am Markt vorbei. Wasserfall verstärkt diesen Fehler.
Die Technologie ist unbekannt
Problem: Erstes KI-Projekt, neue Cloud-Platform, experimentelle APIs
Warum es scheitert: Du kannst nicht planen, was du nicht verstehst. Technische Unbekannte erfordern Experimente.
Stakeholder ändern ständig ihre Meinung
Problem: "Könnte die Login-Seite nicht doch grün sein?"
Warum es scheitert: Wasserfall funktioniert nur mit stabilen Anforderungen. Ohne disziplinierte Stakeholder wird es zum Change-Request-Chaos.
Die ehrliche Entscheidungsmatrix
Verwende Wasserfall Projektmanagement, wenn:
- Änderungskosten > Kosten falscher Annahmen
- Requirements sind vollständig und stabil
- Externe Faktoren dominieren den Zeitplan
- Compliance erfordert vollständige Dokumentation vor Implementierung
Verwende NICHT Wasserfall Projektmanagement, wenn:
- Du "Sicherheit" durch Planung vortäuschen willst
- Requirements durch Nutzerfeedback entstehen sollen
- Technologie oder Markt sind unbekannt
- Stakeholder regelmäßig ihre Meinung ändern
Die häufigsten Wasserfall-Fallen
"Wir planen alles, dann sind wir sicher"
Realität: Planung reduziert Unsicherheit, eliminiert sie aber nicht. Detailpläne für unbekannte Probleme sind Selbstbetrug.
"Agile ist zu chaotisch für uns"
Realität: Oft bedeutet das: "Wir wollen Veränderungen vermeiden." Aber Märkte und Technologien ändern sich trotzdem.
"Das haben wir schon immer so gemacht"
Realität: Die schlechteste Begründung für Methodenwahl. Kontext ändert sich, Methoden sollten sich anpassen.
Wasserfall oder Agile: Die 4 Entscheidungsfragen
Stell dir diese Fragen:
- Wie hoch sind meine Änderungskosten wirklich? (Nicht gefühlt, sondern gemessen)
- Woher kommen meine Requirements? (Analyse oder Vermutung?)
- Was ist teurer: Falsche Annahmen oder späte Änderungen?
- Kann ich echtes Nutzerfeedback schnell bekommen?
Das Fazit: Methode folgt Kontext
Wasserfall ist weder gut noch schlecht - es ist ein Werkzeug. Wie ein Hammer: Perfekt für Nägel, katastrophal für Schrauben.
Die beste Methode ist die, die zu deinem spezifischen Kontext passt. Nicht die, die gerade trendy ist oder die dein letzter Chef verwendet hat.
Wenn dein Projekt echte Wasserfall-Charakteristika hat, dann nutze Wasserfall. Aber sei ehrlich zu dir selbst: Ist das wirklich der Fall, oder suchst du nur nach einer Ausrede, um Unsicherheit zu vermeiden?
Die unbequeme Wahrheit: Die meisten Projekte, die Wasserfall verwenden, sollten es nicht. Aber einige wenige sollten es definitiv tun.